DIVINO - Das Magazin | N° 2/2021 Herbst - Winter
Dr. Daniel Heßdörfer ist Leiter des Arbeitsbe- reiches Forschungskoordination und Projekt- management am Institut für Weinbau und Oenologie an der Bayerischen Landesanstalt fürWeinbau undGartenbau (LWG) inVeits- höchheim. Wir sprachen mit ihmüber Aufga- ben und Lösungen, wie die Winzerinnen und Winzer in Franken den zunehmenden Wetter- extremen begegnen können. D onnerstag, 17. Juni, 16 Uhr, 34 °C: Unser Termin mit Dr. Daniel Heß- dörfer in den Weinbergen von Thün- gersheim legt die Problematik, über die wir sprechen möchten, direkt vor unsere Füße: trockene Böden, müde Rebpflan- zen, direkte Sonne, hohe Temperaturen. „Die Folgen des Klimawandels mit Dürre- perioden und Trockenheit werden bei uns immer spürbarer.“ Dr. Daniel Heßdörfer sagt das mit professioneller Distanz. Er wirkt dabei aber nicht unbeteiligt. Schließ- lich beschäftigen wir uns mit einem Thema, von dem eine gewisse Bedro- hung ausgeht. Denn die Vorhersagen in Sachen Klimawandel, die von den Wis- senschaftlern für das Jahr 2050 voraus- gesagt worden waren, sind bereits 2018 eingetreten. „Das ist in der Tat beunruhi- gend, aber die Klimaveränderung bleibt nunmal nicht stehen“, sagt der Wissen- schaftler. Das Thema beschäftigt ihn in Theorie und Praxis. Seine Promotion hat er zum Thema „Ressourcenmanage- ment – Umsetzung moderner Strategien der Bewässerung zur Qualitätssicherung in weinbaulichen Großprojekten“ an der LWG in Zusammenarbeit mit der Hoch- schule Geisenheim geschrieben. Und dieses Thema ist auch heute sein Tätig- keitschwerpunkt – auch in seiner Lehr- tätigkeit an der Meister- und Techniker- schule der LWG. JEDER TROPFEN ZÄHLT Als wir durch die Weinberge gehen, um uns die Bewässerungsanlagen anzu- schauen, fangen sie wie von Geisterhand gesteuert an zu tropfen. Plitsch, Plitsch, Plisch hört man wenig später, was sehr beruhigend wirkt. Natürlich sind hier keine Geister am Werk, sondern High- Tech-Systeme. „Wir leisten hier keine Grundlagenforschung, das machen die Kollegen an den verschiedenen Hoch- schulen oder Universitäten. Was wir hier tun, ist angepasst an die Bedürfnisse des Weinbaus in Franken, der Winzer vor Ort und zudem immer hochaktuell“, erklärt Dr. Heßdörfer. Das Thema ist extrem komplex und man wundert sich, dass die Steuerung „einfach nur“ über das Smart- phone erfolgt – bei so vielen Daten, die hier zusammenfließen. Und sie kommen direkt aus den Weinbergen. Es stehen Messgeräte zwischen den Zeilen, und Sensoren befinden sich im Boden, die den aktuellen Wassergehalt ermitteln. Man spricht von Bodenfeuchtigkeit. Das ist neben Bewässerungssteuerung und Bodenmanagement eines der Schlüs- selwörter zum Thema Klimawandel im Bezug auf den Fränkischen Weinbau. „Die Begrünung zwischen den Rebzeilen spielt eine Schlüsselrolle in diesem Kon- text“, sagt der studierte Weinbauer. „Jede Pflanze steht in Konkurrenz zu den Reb- stöcken. Sie graben sich im wahrsten Sinne des Wortes gegenseitig das Wasser ab. Aber wenn man die richtigen Pflan- zen erlaubt und sie entsprechend bear- beitet, werden sie zu Partnern“, sagt Heßdörfer. Er führt uns zu den Zeilen, in denen bunte Wicken und viele andere Beikräuter wachsen durften. Allerdings liegen sie „überfahren“ auf dem Boden. „Diese Art der Begrünung sorgt nicht nur für Biodiversität im Weinberg und mehr Lebensraum für Insekten. Sie hält später als „selbstgemachtes Stroh“ auch die Feuchtigkeit im Boden, sorgt für den Humusaufbau und schützt gegen Erosion“, beschreibt Heßdörfer. Die Pflanzen waren kurz zuvor entsprechend gewalzt, aber eben nicht untergegraben worden. Es geht in jeder Hinsicht darum, Wasser zu sparen und das verwendete Wasser so effektiv wie möglich zu ver- wenden. Die Tröpfchenanlagen werden deshalb perspektivisch unter die Erde verlegt. So wird auch möglichen Beschädigungen durch die Schlepperarbeit im Weinberg vorgebeugt. Das ist übrigens ein weiteres großes Thema an der Landesanstalt und im Arbeitsbereich von Dr. Daniel Heßdör- fer: Selbstfahrende Schlepper für Arbeits- erleichterung und Umweltschutz. Aber, so sagt der Forscher, die Technik schreitet deutlich schneller voran als die Gesetz- gebung. Und so bleiben manche Ideen noch Zukunftsmusik. Aber, und da sind sich alle einig, „Smart Farming“ ist kein Trend, sondern eine Notwendigkeit für die Sonderkulturen Wein- und Obstbau – und das hat eine gewisse Dringlichkeit. „Wir müssen schnellstens klimafit wer- den, damit der Weinbau in Franken den Klimawandel überlebt!“ Kontakt: Dr. Daniel Heßdörfer Leiter des Arbeitsbereiches Forschungskoordination und Projektmanagement am Institut für Weinbau und Oenologie, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) An der Steige 15 97209 Veitshöchheim Tel. 0931 9801-554 Fax 0931 9801-550 Mobil 0172 5712160 daniel.hessdoerfer@lwg.bayern.de www.lwg.bayern.de MEGATHEMA KLIMAWANDEL Über ressourcenschonendes Bewässerungsmanagement und die technischen Möglichkeiten, den Herausforderungen in der Hitzeregion Franken zu begegnen. Dr. Daniel Heßdörfer in seinem Element: Am liebsten ist er in den Weinbergen. Hier zeigt er uns das Aufpfropfen der neuen pilzwiderstandsfähigen Rebsorte Calardis Musqué auf die alte Bacchusrebe. In wenigen Wochen wird der neue Trieb dort wachsen. Unabdingbar dafür: Die Tröpfchenbewäs- serung – hier noch mit einem überirdischen System. DIVINO MAGAZIN·Nº 2/2021 17
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