DIVINO - Das Magazin | N° 1/2022 Frühjahr - Sommer

An dieser Stelle berichtet Dr. Beate Wende, Biologin an der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim, von besonderen Tieren und Pflanzen im Weinberg. In dieser Ausgabe widmet sich die Wissenschaftlerin einem durch und durch sympathischen Untermieter im Weinberg: Ab März zeigen sich vielerorts blaue Farbtupfer in den noch blütenfreien Wiesen und Gärten. Die Traubenhyazinthen (Muscari) sind aus der Ruhe erwacht und strecken ihre blauen Blütenstände in die Höhe. Bis zu 40 der hübschen „Glöckchen“ stehen am Ende des Blumenstängels in einer Traube zusammen und sind Anlass für mehrere Spitznamen der Traubenhyazinthen: in Süddeutschland werden sie liebevoll Bauernbübchen und in Mitteldeutschland Bergmännchen genannt. Aus fernen Ländern In den Gärtnereien beginnt der Frühling bereits im Januar. In farbigen Arrangements oder ein- zeln werden Frühlingsblüher zum Kauf angeboten. „Mit im Topf“ sind zumeist auch Traubenhyazinthen. Sie gehören wie selbstverständlich zu unseren Frühjahrsboten. Doch erst seit dem 16. Jahrhundert sind Traubenhyazinthen in Mitteleuropa heimisch. Damals wurden sie aus der Türkei und Griechenland sowie aus Afghanistan und Pakistan eingeführt und als exotische Blickfänge in Gärten und Parks gepflanzt. Aus ihrem Ursprungsgebiet haben sich die Traubenhyazinthen die Wärmeliebe bewahrt. In der „freien“ Natur findet man die „Bauernbübchen“ zwischen März und Mai hauptsächlich an sonnigen und warmen Standorten. In den Gärten und Parkanlagen hielt es die Traubenhyazinthen nicht lange. Innerhalb kurzer Zeit eroberten die Bergmännchen die Natur jenseits der Gartenmauer, weshalb man die Traubenhyazinthen auch als „Gartenflüchtlinge“ bezeichnet. Der Sprung über die Garten- bzw. Parkmauer gelang, da Traubenhyazinthen zwei Strategien nutzen, um Nachkommen zu bilden: Zum einen entstehen die Nachkommen durch die Bildung von Brutzwiebeln an der Mutterpflanze. Erkennbar ist dies an den oft büschel- artigen Vorkommen. Zum anderen vermehren sich die Traubenhyazinthen durch Selbstaussaat der Samen, wodurch größere Entfernungen überwunden werden können. Wertvolle Nektarquelle der Frühaufsteher Für Insekten, die ebenfalls früh ins Jahr starten, bilden Traubenhyazinthen eine wichtige Nektarquelle. Viele Bienen und Hummeln füllen an den glockenförmigen Blüten ihre durch die Winterruhe aufgebrauchten Energiereserven auf. Dabei öffnen sich die „Glöckchen“ einer Blütendolde stets von unten nach oben. Doch die Blütenbesucher halten sich niemals an den oberen, kleinen Blütenglöckchen auf. Denn die obersten Blüten der Traubendolde sind steril und fungieren wohl ausschließlich zur Anlockung hungriger Bienen und Hummeln. Weinbergs-Traubenhyazinthe – Charakterart der Hackflora Eine besondere Art ist die Weinbergs-Trauben- hyazinthe (Muscari neglectum). Sie verströmen einen intensiven moschusartigen Geruch und wachsen hauptsächlich in südexponierten Weinbergen auf trockenen und kalkhaltigen Böden. Zusammen mit dem Weinbergs-Lauch, dem Kohl-Lauch und der Wilden Tulpe bilden die Weinbergs-Traubenhyazinthen die charakteristische Weinbergs-Gesellschaft. Diese Gesellschaft wird auch als Hackflora bezeichnet, denn sie etablierte sich aufgrund der traditionellen Bodenbearbeitung in reiner Handarbeit (mit der Hacke!). Durch die zunehmende Technisie- rung im Weinbau mit maschineller Bodenbear- beitung wurde die Hackflora weitestgehend zurückgedrängt, da die Zwiebeln der Pflanzen durch die Bodenbearbeitungsgeräte zerschla- gen werden. Dr. Beate Wende Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) An der Steige 97209 Veitshöchheim Telefon +49 (931) 9801-574 beate.wende@lwg.bayern.de FOTO: COMMONS.WIK IMEDIA.ORG/SKAS Traubenhyazinthen vermehren sich über die Bildung von Brutzwiebeln. Daher findet man meist büschelartige Vorkommen. Ein Bergmännchen auf Reisen 22 Nº 1/2022·DIVINO MAGAZIN UNTERMIETER IM WEINBERG

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