DIVINO - Das Magazin | N° 1/2023 Frühjahr-Sommer

[divino-verbunden] Die Sehnsucht, die viele Menschen heute bewegt, ist die Sehnsucht nach Verbundenheit. Das bayerische Gesundheitsministerium hat erkannt, dass die Einsamkeit viele Menschen krank macht und sie früher sterben lässt. Dort, wo Menschen sich verbunden fühlen, geht es ihnen nicht nur gesundheitlich besser, sondern sie sind auch zufriedener und glücklicher. Ein Weg, sich verbunden zu fühlen, ist das Mitgefühl. Wenn ich mit den anderen Menschen mitfühle, fühle ich mich nicht allein. Das Mitgefühl tut nicht nur den Menschen gut, mit denen ich fühle, sondern auch mir selbst. Dalai Lama nennt das Mitgefühl den wichtigsten Weg zum persönlichen Glück und zu einer friedlichen Gesellschaft. Ein anderer Weg, sich verbunden zu fühlen, geht über die Erfahrung des Schönen. Martin Walser sagte einmal: „Wenn du etwas schön findest, bist du niemals allein.“ Wenn ich mit Freunden die Schönheit einer Landschaft oder die Schönheit eines Kunstwerkes oder die Schönheit eines gemeinsamen Festes erlebe, fühle ich mich nicht allein. Dann bin ich verbunden nicht nur mit den Menschen, mit denen ich das Fest feiere, sondern auch mit der Landschaft, mit dem Künstler und mit allen, die dieses Kunstwerk bestaunen. Gemeinsam ein Glas Wein zu trinken, verbindet die Menschen auch miteinander. In der Antike hat man nie allein Wein getrunken, sondern immer miteinander. Gemeinsam den Wein zu genießen, verbindet die Menschen miteinander. Und es verbindet sie auch mit denen, die den Wein bereitet haben, mit den Gastgebern, die ihn ausschenken, aber auch mit den Winzern, ja mit der Landschaft, in der er herangereift ist. Und in der Antike schuf der Wein immer auch Verbindung mit Gott, dem man gemeinsam für das Geschenk des Weines dankte. Wer abends seine Einsamkeit mit Wein vertreiben möchte, der ist in Gefahr, das Maß zu verlieren und süchtig zu werden. Wer jedoch allein ein Glas Wein genießt und sich dabei verbunden fühlt mit all den Menschen, die sich an diesem Wein erfreuen, der fühlt sich nicht allein. Die Kunst besteht darin, das Alleinsein in ein All-Eins-Sein zu verwandeln. Dann fühle ich mich mit allen und allem verbunden. PATER DR. ANSELM GRÜN ABTEI MÜNSTERSCHWARZACH Anselm Grün OSB (geb. am 14. Januar 1945 im fränkischen Junkershausen als Wilhelm Grün) ist deutscher Benediktinerpater, Autor spiritueller Bücher, Referent zu spirituellen Themen, geistlicher Berater und Kursleiter für Meditation, Kontemplation und geistliches Leben. Mit rund 300 lieferbaren Titeln, die bisher in einer Gesamtauflage von über 14 Millionen Exemplaren weltweit verkauft wurden, ist Pater Anselm Grün einer der meistgelesenen deutschen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher wurden in dreißig Sprachen übersetzt. www.anselm-gruen.de FOTO: PATER DR. ANSELM GRÜN DIVINO MAGAZIN·Nº 1/2023 27 KOLUMNE

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