DIVINO - Das Magazin | N° 1/2022 Frühjahr - Sommer

ImDIVINOMagazin, Ausgabe N° 2/2021 berichteten wir über die wichtige Funktion eines gesunden Bodens im Weinberg. Unsere Gesprächspartnerin dafür war Beate Leopold, Geschäftsführerin des Weinbauring Franken e.V.. Wir möchten auch in der vorliegenden Ausgabe in die Weinberge schauen, wo die Grundlagen geschaffen werden für gesundes Traubengut und damit für gute Weine. Der Klimawandel ist eine der wichtigsten Forschungsaufgaben im Weinbau. Das sagt auch Hermann Mengler, Weinfachberater beim Bezirk Unterfranken (siehe Seiten 16 und 17). Ein zentrales Thema dabei ist die Biodiversität im Weinberg. Dr. Beate Wende, die Sie als Kolumnistin von „Untermieter im Weinberg“ bereits kennen, ist ausgewiesene „Wildlebensraumberaterin für Weinbau“ an der LWG. Sie beschreibt im Folgenden, was Biodiversität „eigentlich“ ist und was sie leisten kann und muss. Ganz ohne unser Zutun geht das allerdings nicht gut. BIODIVERSITÄT – EIN VIELFÄLTIGES MITEINANDER Oftmals wird Biodiversität (Synonym für biologische Vielfalt) mit der Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen gleichgesetzt. Doch Biodiversität umfasst weitaus mehr. Neben der Artenvielfalt beinhaltet Biodiversität auch die Fülle an Lebensräumen (etwa Wiesen, Gewässer oder Hecken), die genetische Vielfalt innerhalb der Arten sowie die vielfältigen Wechselwirkungen der Lebewesen miteinander und mit ihrer Umwelt. Alle Organismen interagieren auf verschiedenste Art und Weise untereinander und mit ihrer Umwelt. Dabei kann man die Interaktionen als die Aufgabe bzw. Funktion der jeweiligen Art in ihrem Lebensraum beschreiben. Das bekannteste Beispiel dürfte die Gruppe der „Bestäuber“ (z.B. Bienen, Schwebfliegen) sein, die durch ihren Flug von Blüte zu Blüte dafür sorgen, dass später im Jahr Früchte geerntet werden können. Jede Art hat jedoch nicht nur eine Aufgabe, sondern erfüllt mehrere zugleich. Am Beispiel des Regenwurms lässt sich das gut nachvollziehen: Als Zersetzer wandelt er abgestorbene Pflanzenteile in nährstoffreiches Bodenmaterial um, als Boden- ingenieur durchlüftet er durch seine Grabtätigkeit den Boden und schichtet nährstoffreiche Erde um, und als Beute ist er wichtige Nahrung vieler Vogelarten. WEINBERGE – EINE EINZIGARTIGE KULTURLANDSCHAFT Die Nutzung sonnenbeschienener, windgeschützter Hänge für den Weinanbau schuf über Jahrhunderte ein wertvolles und einmaliges Ökosystem. Die mosaikartige Landschaft, in der sich Weinberge, Hecken, Kleingebüsche, Trockenmauern, Steinriegel und Obstbäume abwechsel- ten, bot wärmeliebenden Tier- und Pflanzenarten vielfältige Lebensräume. Doch in den letzten fünfzig Jahren wandelte sich das Bild der Wein-Kulturlandschaft. Um die Wirtschaftlichkeit des Weinbaus erhalten zu können, wurden in aufwän- digen Flurordnungsverfahren die Rebhänge neugestaltet. Die einstigen kleinstrukturieren Flächen wichen großen zu- sammenhängenden Rebanlagen. Biotop- elemente wie Hecken, Bäume oder die Steinlebensräume verschwanden und da- mit auch die mit diesen Lebensräumen assoziierten Tier- und Pflanzenarten in- klusive ihrer jeweiligen „Funktionen“ im Ökosystem Weinberg. Aus diesem Grund ist es wichtig, wieder Gleichgewicht in das in Schieflage geratende Verhältnis zwischen Natur und Landnutzung in den Weinlagen zu bringen. Dabei helfen schon einfache Maßnahmen, die weder die Bewirtschaftung des Weinbergs beinträchtigen noch einen höheren Arbeitsaufwand für die Winzer bedeuten. BIODIVERSITÄTSFÖRDERUNG: GEMEINSAM GELINGT DAS! Besonders die Randzonen der Weinberge eignen sich, um wertvolle ökologische Nischen zu schaffen. Statt arbeitstechnisch aufwendige Spitzzeilen zu bewirtschaften, können diese zu Blüh- oder Brachflächen umgestaltet werden. Steinhaufen, Sandlinsen, Totholzbereiche – für die weitere Gestaltung sind keine Grenzen gesetzt. Auch die WinzerInnen ziehen Vorteile aus der Maßnahme: Begrünte Flächen verhindern Bodenerosion und die Auswaschung von Nährstoffen. Die Neupflanzung eines Baumes bietet nicht nur Lebensraum für viele Tierarten, sondern sorgt auch für angenehmen Schatten in den Arbeitspausen. Kleinstmaßnahmen, wie z.B. das Aufhängen von Vogelnistkästen oder Fledermausquartieren machen die Weinlagen wieder attraktiv für Insektenjäger wie Meisen und Co.. Entstehen diese Bereiche in geringem Abstand zueinander, schafft man über die gesamte Weinlage einen Verbund an hochwertigen Biotopen. Einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung dieser ökologischen Nischen können extensiv gepflegte Wegränder, Weinbergsäume und Vorgewende leisten. Dies bedeutet, nicht alle paar Wochen mit demMulcher die Begrünung zu kürzen, sondern maximal ein- bis zweimal im Jahr zu mähen. Idealerweise wird das Mahdgut entfernt, damit sich Blütenpflanzen wie z.B. Wiesensalbei und Natternkopf etablieren können. UMFANGREICH UND AUFWÄNDIG: HECKEN, TROCKENMAUERN UND STEINRUTSCHEN Diese Landschaftsstrukturelemente sind ökologisch äußerst bedeutsam. Hecken schützen vor Wind, sorgen für ein gutes Kleinklima in unmittelbarer Nähe der Reben und bieten vielen Nützlingen wie Schlupf- und Erzwespen, Fledermäusen und Vögeln den notwendigen Lebensraum. In und um Trockenmauern finden sich sonnige, trockene und warme sowie kühle, schattige und feuchte Plätze eng nebeneinander. Eine Vielzahl von Insekten, Spinnen, Schnecken, Reptilien, Amphibien finden in den unverfugten Spalten und Ritzen ideale Rückzugs-, BIODIVERSITÄT IM WEINBAU: Ein vielfältiges Miteinander ist die Lebensgrundlage für alle Von Dr. Beate Wende, Wildlebensraumberaterin für Weinbau; Institut für Weinbau und Oenologie an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) 24 Nº 1/2022·DIVINO MAGAZIN BIODIVERSITÄT

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