DIVINO - Das Magazin | N° 2/2023 Herbst-Winter

Stellen Sie sich vor, ohne den Einsatz von Deo, Par- füm und Co. verströmen Sie stets einen unwider- stehlichen Duft. Was jedoch bei uns nur ein Wunsch ist, ist für männliche Individuen des Kaisermantels Wirklichkeit. SILBERSTRICH AM HORIZONT Den kaiserlichen Hoheiten begegnet man ab Ende Juni entlang lichter und sonniger Waldränder. Dort flattert unser größter heimischer Perlmuttfalter gerne zwischen Waldrand und nahe gelegenen Wiesen und Säumen mit Disteln, Skabiosen und Flockenblumen hin und her. Die perlmuttartig schimmernden Flecken auf der Flügelunterseite sind gemeinsames Merkmal (und somit Namensgeber) der Perlmuttfalter. Beim Kaisermantel sind diese zu einem ge- schwungenen, silbern schimmernden Band vereint, weshalb er auch Silberstrich genannt wird. Eine weitere Gemeinsamkeit der Perlmuttfalter ist die orange Grundfärbung der Flügeloberseite, überzogen von einem dunklen Fleckenmuster. Bei männlichen Exemplaren des Kaisermantels fallen dabei vier kräf- tige dunkle Striche auf den Vorderflügeln ins Auge. Die optische Auffälligkeit wird jedoch durch die ge- ruchliche weit übertroffen – jedenfalls wenn Sie ein Kaisermantel-Weibchen sind. Denn über diese dun- kel gefärbten „Duftschuppen“ gibt das Männchen Pheromone ab, welche die Weibchen unwiderstehlich finden (sollen). ABER BITTE MIT VEILCHEN! Nach erfolgreichem Einsatz der männlichen Phero- mon-Duftschuppen sucht der weibliche Kaisermantel Bäume zur Eiablage auf. Doch eine Kaiserin ist wäh- lerisch. Nur Bäume, in deren Nähe Veilchen wachsen, kommen in Frage. Wenn die kaiserlichen Stand- ortbedingungen erfüllt sind, werden die Eier im Ab- stand von 0,5-2 m hinter einer Baumesrinde, unter Flechten oder in Rindenspalten abgelegt. Gut ge- schützt vor Unbilden des Wetters entwickeln sich die Raupen, die im Spätsommer schlüpfen, um sich nach Verzehr der Eihülle ein Winterversteck zu suchen. Im Frühling verlassen die Raupen ihr Win- terquartier und begeben sich auf Veilchensuche, da nur diese von den Kaisermantel-Raupen als Futter akzeptiert werden. DIE STUMMEN INFORMANTEN Die äußerst einseitige Ernährung wäre zwar für jeden Ernährungsberater ein Graus, für Ökologen sind solch hochspezialisierte Tierarten jedoch wertvolle Hinweisgeber. Der Kaisermantel reagiert – wie viele Schmetterlingsarten – sehr sensibel auf Veränderun- gen in seiner Umwelt. So können durch genaue Beobachtung der Populationsentwicklung des Kaiser- mantels Rückschlüsse auf den Zustand seines Öko- systems gezogen werden. Ein enger Verwandter des Kaisermantels, der Kleine Perlmuttfalter, ist z.B. Indikatorart für den Zustand von Agrarlebensräumen. Die Raupe des Kleinen Perl- muttfalters lebt auf Äckern und deren Säumen. Die intensive Bewirtschaftung zerstört seine Lebensbe- dingungen. Aufgrund dessen muss der einstmals häufige Schmetterling bereits in einigen Bundeslän- dern auf der Roten Liste geführt werden. SCHMETTERLING DES JAHRES 2022 Der Kaisermantel taucht noch nicht auf der Roten Liste auf, doch die Populationen nehmen vielerorts ab. Die Schmetterlinge benötigen zwingend lichte Mischwälder. An besonnten Waldrändern mit blü- tenreichen Wegsäumen und (Streuobst-)Wiesen in der Umgebung findet der Kaisermantel ebenfalls einen idealen Lebensraum. Daher gilt: Mischwald statt Monokultur, Feldsäume und waldnahe Wiesen extensiv pflegen, damit der Kaisermantel weiterhin Hofstaat halten kann. Dr. Beate Wende · Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) · An der Steige · 97209 Veitshöchheim Telefon +49 (931) 9801-574 · beate.wende@lwg.bayern.de Holometabole Insekten – Leben in zwei Welten Schmetterlinge, Käfer, Fliegen, Bienen, Wespen – sie alle zählen zu den holometabolen Insekten. Dies bedeutet, dass die Tiere in ihrem Lebenszyk- lus eine vollständige Verwandlung von der Larve über ein Puppenstadium bis hin zum adulten Tier durchlaufen. Die Umwandlung von Larve zum erwachsenen Tier ist sehr komplex. Schließlich wird das Individuum vollständig „umgebaut“, und dabei kann natürlich auch einiges schieflaufen. Doch genauer betrachtet ist die Holometabo-lie eine geniale Strategie zur Konkurrenzvermeidung um Lebensraum und Ressourcen. Von den sozialen Insekten mal abgesehen, leben die Larven – Raupen oder Maden – in einer vollständig anderen Welt als die adulten Tiere. Schmetterlingsraupen z.B. leben in Bodennähe oder in Bäumen – die erwachsenen Tiere sind im Luftraum unter- wegs. Auch in der Ernährungsweise unterscheiden sich beide Lebensstadien. Viele holometabole Larven sind Pflanzenfresser (herbivor), während sich die adulten von Nektar und Pollen ernähren. Der Wechsel zwischen beiden Welten ist zwar nicht einfach, doch die enorme Vielfalt an holometabolen Insekten bezeugt die sehr erfolgreiche Strategie der Natur. DES KAISERS DUFTENDE KLEIDER: DER KAISERMANTEL An dieser Stelle berichtet Dr. Beate Wende, Biologin an der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim, von besonderen Tieren und Pflanzen im Weinberg. In dieser Ausgabe widmet sich die Wissenschaftlerin einem durch und durch sympathischen Untermieter im Weinberg. Der Kaisermantel (Argynnis paphia) ist unser größter heimischer Perlmuttfalter. Betörender noch als ihr schönes Aussehen ist wohl der Duft der Männchen! DR. BEATE WENDE DIVINO MAGAZIN·Nº 2/2023 15 LEBENSRAUM WEINBERG

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